Interview mit Piratenpartei: Verletzt die Corona-App deine Privatsphäre?

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Mittlerweile ist die Corona-Warn-App mit 12,2 Millionen Downloads (Stand: 23.06.2020) eine der meistverbreiteten Apps in Deutschland. Das bedeutet, dass über 18 Prozent der deutschen Smartphone-Nutzer, die Corona-Warn-App auf einem ihrer Geräte installiert haben. Solche Zahlen kann man sich bei Sicherheits-Apps, wie virtuellen privaten Netzwerken, nur wünschen.

Borys Sobieski, Generalsekretär der Piratenpartei Deutschland, ist wahrscheinlich einer der wenigen Politiker, der nicht nur über die App debattiert sondern sogar dem Quellcode unter die Lupe nimmt. Am Tag der Veröffentlichung hat er sich nämlich den Code von Github kompiliert und die App anschließend mit der Version aus dem App-Store verglichen.

Ich hatte das Glück, ihn für 13 Minuten zu seiner Meinung zur Corona-App interviewen zu können. Hierbei hat mich interessiert, was er von der App hält und wie der Standpunkt der Piratenpartei zum Vorgehen der Bundesregierung ist.

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Was ist deine Meinung zur Corona-Warn-App?

Auf die Frage, wie er das Vorgehen der Bundesregierung fand und was er von der App hält, antwortete Borys überraschend positiv. So ein Feedback der Piratenpartei bin ich nicht gewöhnt, wenn es um deutsche Digitalisierungsprojekte geht.

Seiner Meinung nach hatte das Vorgehen der Bundesregierung zwei Seiten der Medaille: Zum einen lag das Projekt zu Beginn relativ lang in der Schwebe. Es wurde viel Diskutiert und es war ein eher langsamer Start. 

Auf der anderen Seite findet er das Endresultat super. Der größte Vorteil ist, dass der Quellcode auf GitHub öffentlich zugänglich ist. Bei der Corona-Warn-App handelt es sich also um ein Open-Source-Programm. Das hat den Vorteil, dass die komplette Entwickler-Community die App auf Schwachstellen und Fehler überprüfen kann.

„Endlich hat man es geschafft eine Bundes-App zu entwickeln, die sich an den Open-Source-Gedanken hält.“

Er sagte mir in unserem Interview: „Endlich hat man es geschafft eine Bundes-App zu entwickeln, die sich an den Open-Source Gedanken hält. Die Partner Telekom und SAP haben das wirklich gut umgesetzt und haben das Feedback mitgenommen. Wenn selbst der Chaos Computer Club [die größte europäische Hackervereinigung] nicht meckern kann, dann können wir das auch nicht.“ 

Hat die App unsere Digitalisierung angekurbelt?

Mich interessierte außerdem, ob wir aus der Entwicklung der Corona-App etwas für andere Digitalisierungsprojekte Deutschlands lernen konnten. Auf diese Frage antwortete mir Borys: „Wir haben gesehen, dass es funktioniert. Wenn der Wille da ist, dann klappt so etwas. Auch andere Projekte könnte man genau so umsetzen“.

„Wir haben gesehen, dass es funktioniert. Wenn der Wille da ist, dann klappt so etwas. Auch andere Projekte könnte man genau so umsetzen.

Diese Aussage fand ich super! Ich bin schon lange der Meinung, dass die schleppende Entwicklung in der Digitalisierung unseres Landes nicht an fehlenden Ressourcen oder zu wenigen klugen Köpfen liegt. Vielmehr ist es eine Frage des Mindsets. 

Aufgrund unserer konservativen Einstellung, stehen wir technischen Neuerungen eher skeptisch gegenüber. Mit der Corona-Warn-App haben wir allerdings gezeigt, dass es auch anders geht, da von der sicheren, schnellen und effizienten Entwicklung Menschenleben abhingen. 

Hätte die Piratenpartei etwas anders gemacht?

Bei so viel Lob zu der Umsetzung der App hat mich interessiert, ob die Piratenpartei anders vorgegangen wäre, wenn sie die Entwicklung in der Hand gehabt hätte. Seine kurze und eindeutige Antwort: „Nein, die Piratenpartei hätte nichts anders gemacht. Der Prozess hinter der App-Entwicklung war wirklich sehr gut.“

„Nein, die Piratenpartei hätte nichts anders gemacht. Der Prozess hinter der App-Entwicklung war wirklich sehr gut.

Hat die App Sicherheitsrisiken?

Mich hat außerdem interessiert, was Borys über den Datenschutz und die Sicherheit der App zu sagen hat. Seine Antwort darauf: „Natürlich wird die App nicht 100 Prozent sicher sein.“

Anmerkung von Alex: Ein Credo unter Software-Entwicklern ist, dass ein Programm in der Regel nie eine hundertprozentige Sicherheit erreicht. Erst recht nicht, wenn es erst seit ein paar Wochen existiert. Analog dazu könnte man sagen, dass dir auch bei einem Haus niemand zu 100 Prozent garantieren kann, dass es einsturzsicher ist. Ein minimales Restrisiko besteht immer.

Nichtsdestotrotz findet Borys, dass wir der App grundsätzlich vertrauen können. Der Open-Source-Code wurde von vielen unabhängigen Stellen detailliert geprüft und niemand konnte eine kritische Sicherheitslücke oder eine Hintertür entdecken. Sein Fazit zu dieser Frage lautet: „Die App verfolgt einen klaren Zweck und diesen erfüllt sie auch.“ 

„Die App verfolgt einen klaren Zweck und diesen erfüllt sie auch.

Seiner Meinung nach gibt es bei einigen Details noch Luft nach oben. Beispielsweise in der Art und Weise, wie die Datenbank gespeichert ist. Außerdem können wir nicht genau wissen, ob die Version im App-Store auch der Version in GitHub entspricht. Das könnten die Entwickler beispielsweise mit verifiziertem Code sicherstellen.

Sollten wir uns die App herunterladen?

Abschließend wollte ich wissen, ob wir uns nun die App herunterladen sollen oder nicht. Hier hat Borys leider keine klare Handlungsempfehlung an uns. Er selbst findet die App super und benutzt sie im Alltag. Allerdings sollte seiner Meinung nach jeder für sich selbst entscheiden, ob er das gleiche tun will.

Borys Sobieski Piratenpartei Corona-Warn-App
Borys steht voll hinter der Corona-Warn-App: Er ist einer der 12,2 Millionen Nutzer

Er sagte mir in unserem Gespräch: „Das Ding ist freiwillig. Wer die Idee gut findet, der kann die App benutzen. Aus einem technischen Standpunkt ist die App so, dass die Piratenpartei, der CCC, Heise und viele Andere nicht meckern können.“

„Wer die Idee gut findet, der kann die App benutzen.

Ein oft genannter Kritikpunkt ist laut Borys, dass wir nicht genau wissen ob und wieviel die App überhaupt bringt. Beispielsweise sagen Kritiker, dass das Bluetooth-Tracking zu ungenau ist, um wirklich sinnvoll zu sein.

Anmerkung von Alex: Weitere Kritikpunkte sind, dass die App die Wirkung von Aerosolen nicht einberechnet. Außerdem wird nicht erkannt, ob sich eine Scheibe oder etwas Ähnliches zwischen den Personen befindet. Solche Faktoren in der App zu berücksichtigen ist jedoch technisch gesehen nicht möglich oder würde zu sehr in die Privatsphäre der Nutzer eingreifen.

Borys ist allerdings wichtig, dass „weder die Nutzung nocht die Nicht-Nutzung in irgendwelchen Nach- bzw. Vorteile resultieren sollte.“ Für mich bedeutet das Zweierlei: Zum einen darf die App auf keinen Fall staatlich übergreifend verpflichtend werden. Außerdem sollte es auch privaten Einrichtungen, wie beispielsweise Restaurants oder Läden, verboten werden, Kunden zu diskriminieren, weil sie die Corona-Warn-App nicht verwenden. 

Unser Fazit: Corona-App nutzen oder nicht?

Bei der Entwicklung der App wurde sehr vorbildlich vorgegangen, da der Code öffentlich einsehbar ist. So konnten viele Organisationen und Entwickler den Quellcode auf kritische Lecks hinsichtlich der Sicherheit und des Datenschutzes überprüfen.

Bedeutet das, dass die App zu 100% sicher und perfekt ist? Nein – jedoch kann man das bei keiner App garantieren! Doch tausende Programmierer konnten keine Sicherheitslücken finden. Seitdem ich weiß, dass auch der Generalsekretär der Piratenpartei die App benutzt, kann ich Nachts besser schlafen, wenn auch ich sie verwende.

Ich finde Borys hat es mit seiner Aussage super auf den Punkt gebracht: „Das Ding ist freiwillig. Wer die Idee gut findet, der kann die App benutzen. Aus einem technischen Standpunkt ist die App so, dass die Piratenpartei, der CCC, Heise und viele andere nicht meckern können.“

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